O Adonai, Herr und Führer des Hauses Israel,
der du Mose in der Feuerflamme des Dornbuschs erschienen bist und ihm auf dem Sinai das Gesetz gegeben hast:
komm und befreie uns mit erhobenen Arm!
O Adonai! Adonai, wörtlich übersetzt „mein Herr“ hat in der jüdischen Lesung der Bibel eine ganz besondere Bedeutung. Da man den Gottesnamen, der mit vier Buchstaben im Text gekennzeichnet wird aus Ehrfurcht nicht ausspricht, ersetzt man ihn mit Adonai. Adonai steht also für den Gottesnamen und somit für Gott selbst und das, was er ist. Adonai steht für den Gott, der sich dem Mose offenbarte als derjenige, der mit seinem Volk ist. Adonai steht für den Gott, der mit seinem Volk durch die Wüste zieht und ihm das Gesetz auf dem Berg Sinai gibt, das Gesetz als eine feste Ordnung, wie Leben und Zusammenleben gelingen kann. Adonai steht für den Gott, der sein Volk aus der Gefangenschaft Ägyptens befreit und in ein Land führte, das alles in Fülle hergibt, was man braucht, um in Freiheit leben zu können.
Adonai steht also auch für den Gott, der sich uns in Jesus Christus offenbart hatte, ein Gott, der in ihm uns ganz nahe gekommen ist und der uns endgültig aus den Verstrickungen des Bösen befreit.
Lesung aus Exodus 3,1–8a.10.13–15:
1 Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus
und kam zum Gottesberg Horeb. 2 Dort erschien ihm der Engel Adonais in einer Feuerflamme mitten aus dem Dornbusch. Er schaute hin: Der Dornbusch brannte im Feuer, aber der Dornbusch wurde nicht verzehrt. 3 Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht? 4 Als Adonai sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen,
rief Gott ihm mitten aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. 5 Er sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab;
denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. 6 Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Ísaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. 7 Adonai sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne sein Leid. 8 Ich bin herabgestiegen, um es der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen. 10 Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus! 13 Da sagte Mose zu Gott: Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie heißt er? Was soll ich ihnen sagen? 14 Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin, der ich bin. Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der „Ich-bin“ hat mich zu euch gesandt. 15 Weiter sprach Gott zu Mose: So sag zu den Israeliten: Adonai, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Ísaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer und so wird man mich anrufen von Geschlecht zu Geschlecht.
Impuls:
Wir haben soeben die bekannte Geschichte vom brennenden Dornbusch gehört und auch auf dem Bild zur heutigen Adventsfeier ist diese Szene abgebildet. Was passiert da? Nach einer langen Zeit des schweigens Gottes, als das Volk Israel schon einige Generationen in einem fremden Land, in Ägypten lebte und inzwischen von den Ägyptern heftig unterdrückt wurde, da zeigte sich plötzlich Gott. Es ist der Anfang einer Befreiungsgeschichte. Gott knüpft an die gesegnete Zeit der Väter an, die Zeit, als das Volk noch in Freiheit lebte: Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Ísaaks und der Gott Jakobs. Und Gott verspricht: Ich werde euch, mein Volk befreien, denn ich sehe wie ihr hier leidet. Und später, als Mose nach seinem Namen fragte, antwortete Gott: ʾehyê ʾᵃšer ʾehyê. Das kann sehr viel heissen und ist kaum zu übersetzen, da das hebräische nicht wirklich Zeitstufen kenn. Gemeint könnte sein, dass Er, Gott, der ist, der war, der ist und der sein wird. Das darf aber nicht abstrakt gedacht werden im Sinne von dass er existiert. Es geht wohl eher darum, dass Gott mit seinem Volk sein wird, wie er es schon immer gewesen ist. Es drückt aus, dass er immer da war für sein Volk und es jetzt auch auf dem Weg der Befreieung nicht sich selbst überlässt. Später im Buch Exodus vernehmen wir auch, dass er dem Volk nachts in einer Feuersäule und tagsüber in einer Wolke vorausging.
Aber noch viel mehr hat Gott für sein Volk bereit. In der Wüste schenkt er ihm das Gesetz und am Ende der langen Wanderzeit beschenkt er es mit einem Land, in dem Milch und Honig fliessen.
Gott möchte sein Volk aber nicht ohne den Menschen befreien. Er tut es nicht einfach aus heiterem Himmel, nein, Mose wird ganz in die Pflicht genommen: Geh und führe mein Volk aus Ägypten heraus. Natürlich ist Gott allmächtig und er könnte das auch ohne Mose, aber er will den Menschen, sein Geschöpf in sein Handeln am Menschen einbeziehen, er handelt nicht einfach von Oben herab.
So ist es auch bei dem für uns Christen zentralen Heilshandeln Gottes gewesen. Als es darum ging, dass er uns von unserer Gefangenschaft in unseren Sünden und Verstrickungen ins Böse herausführen und erlösen wollte, auch da handelte er nicht von Oben herab an uns. Er selbst machte sich ganz klein und wurde ein Mensch, einer von uns. Davon aber nicht genug. Er bezog von anfang an auch einen Menschen in dieses Vorhaben mit ein: Maria. Morgen feiern wir das Fest der unbefleckten Empfängnis Marias. Der Inhalt des Festes ist, dass Maria von Anfang, seit sie im Schoss von Anna empfangen wurde an nicht in die Schuld und das Böse verstrickt war. Gott hat sie davor verschont. Er hat ihr im Voraus das Geschenkt, was er uns durch den Kreuzestod Jesu dann allen geschenkt hat. So hatte Maria die ganze Freiheit, auf Gottes Anruf ihr Ja zu sagen. Das zeigt: Gott nimmt immer wieder Menschen in Pflicht, um sein Erlösungswerk zu vollbringen, aber er gibt ihnen dazu auch die Gnade gibt. So komm, Adonai, komm und befreie uns.