Am ersten Advent betrachteten wir die Antiphon O Weisheit:
O Weisheit, die du aus dem Mund des Höchsten
hervorgegangen bist und von einem Ende bis zum
anderen mit Macht und mit Milde ordnend alles umspannst: – komm, uns zu lehren den Weg der Klugheit.
Im Zentrum der Weisheitsliteratur des Alten Testaments steht die göttliche Kraft der „Weisheit“. Sie wird bisweilen personifiziert als „Frau Weisheit“ bezeichnet und ist eine Form, in der Gott sich in die Welt hinein äussert. Für den Glauben Israels war die Weisheit schon vor der Welt, sie ist göttlichen Ursprungs, sie hat die Schöpfung geprägt und gibt der Welt ihre innere Ordnung.
Schon früh hat die Christenheit daher die biblische Weisheit mit Jesus Christus selbst identifiziert. Wie die Weisheit ist auch er als erster vom Vater hervorgegangen, noch vor der Schöpfung.
Die Weisheit ist aber zugleich göttliche Gabe an die Menschen, um den Weg durch das Leben zu finden. Sie stimmt jedoch nicht einfach mit der „Klugheit“ dieser Welt überein, sondern ist Leben aus Gottes Geist.
Lesung aus Jesus Sirach 1,1–10:
1 Alle Weisheit kommt vom Herrn und bei ihm ist sie in Ewigkeit. 2 Den Sand der Meere, die Tropfen des Regens und die Tage der Ewigkeit – wer wird sie zählen? 3 Die Höhe des Himmels und die Breite der Erde, den Abgrund und die Weisheit – wer wird sie erforschen? 4 Früher als alles wurde die Weisheit erschaffen und von Ewigkeit her die verständige Einsicht. 5 Quelle der Weisheit ist Gottes Wort in den Höhen und ihre Wege sind ewige Gebote. 6 Die Wurzel der Weisheit – wem wurde sie offenbart? Und ihre reiche Erfahrung – wer hat sie verstanden? 7 Kenntnis der Weisheit – wem wurde sie offenbart? Und ihre reiche Erfahrung – wer hat sie verstsanden? 8 Nur einer ist weise, höchst furchtgebietend: der auf seinem Thron sitzt. 9 Der Herr selbst hat sie erschaffen, gesehen und gezählt und sie ausgegossen über all seine Werke, 10 bei allem Fleisch ist sie gemäss seiner Gabe und er hat sie denen gewährt, die ihn lieben. Liebe zum Herrn ist ruhmvolle Weisheit; bei seinem Erscheinen teilt er sie denen zu, denen er sich zu sehen gibt.
Impuls:
Alle Weisheit kommt vom Herrn und bei ihm ist sie in Ewigkeit.
Früher als alles andere entstand, wurde die Weisheit erschaffen, So Jesus Sirach eben. Und weiter hinten, im gleichen Buch Jesus Sirach sagt die Weisheit von sich selbst: Ich ging aus dem Mund des Höchsten hevor und wie Nebel umhüllte ich die Erde. Wir befinden uns also irgendwo ganz am Beginn, vor der Schöpfung, nach Gen 1,1 an dem Punkt, als der Geist Gottes über den Wassern wehte, Finsternis lag über der Urtiefe, Nebel umhüllte die Erde. Es ist ein mystisches Bild, das da in der Bibel gezeichnet ist. Dann der Beginn: Es begann mit einem Wort aus Gottes Mund, die Weisheit also, die aus Gottes Mund hervorging: Gott sprach: Es werde Licht – und es wurde Licht. Aus dem Tohuwabohu – so das hebräische Wort für das Chaos, das da herrschte, wurde Ordnung. Die Weisheit, die aus Gottes Mund entspringt, schafft Ordnung. Das erste Element dieser Ordnung ist das Licht. Durch das Licht werden die Schatten sichtbar und es hebt sich ab gegen die Finsternis. Die Konturen werden schärfer, der Blick klarer. Zu Beginn der Feier haben wir Christus als Licht besungen, in der Einleitung wurde er mit der Weisheit identifiziert. Beides gehört zu ihm und beides steht am Ursprung der Schöpfung. Durch ihn ist alles umfangen.
Nur manchmal sehen wir das nicht mehr. Manchmal, wenn wir in die Welt schauen, dann scheint es, dass diese schöpferische Ordnung immer mehr durcheinander kommt. Die ganze Schöpfung seufzt und liegt in Geburtswehen, hat auch Paulus schon in Röm 8,22 festgestellt und nur allzu oft stellen wir fest, dass auch wir daran beteiligt sind, dass dieses Ungleichgewicht entsteht. Der Advent ist auch eine Zeit der Umkehr und Busse, aber auch des Wartens auf die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus. Beides ist Ausdruck dafür, dass wir erkennen, dass die Schöpfung eben zwar von Gott gut geschaffen, im Moment jedoch noch nicht vollendet ist. In der Umkehr wollen wir uns besinnen und unser Leben so ändern, dass immer mehr Gottes Reich auf dieser Erde wirklich wird, im Warten auf seine Wiederkunft drücken wir die Sehnsucht nach der Vollendung aus, im Wissen, dass wir es aus uns heraus nicht machen können, dieses Reich Gottes. Letztlich können wir nur warten, bis er, Gott es in der Wiederkunft seines Sohnes vollendet. Oh komm, und komme bald!